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Pferdestall

Als ich während meiner Doktorandenzeit in Jülich lebte, wohnte ich direkt neben einem Pferdestall. Eigentlich ist das schon die ganze Geschichte. Aber wenn ich schon mal etwas zu dem Thema erzähle...

Als junger Diplomand habe ich bereits in der Nähe von Jülich (genau: in Merzenhausen) auf einem Bauernhof gewohnt. Dort wurden Zuckerrüben produziert (was, wer die Gegend um Jülich kennt, nicht weiter überrascht). Zur Promotion bin ich in nach Stetternich gezogen, ein anderes Dorf in der Nähe von Jülich, und auch hier wieder in ein Gebäude, das zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehörte. Die Straße hieß "Mühlenweg", und ich habe in der alten Mühle gewohnt.

Das Wasserrad an der Seite des Gebäudes war schon halb verfallen, aber der Rest war urig und gut bewohnbar. Ich teilte mir das Dach mit meiner Nachbarin Gaby, der Tochter der Vermieter, und fünf Pferden, denn der Stall war gleich nebenan. Gaby war eine begeisterte Springreiterin, aber ihre Pferde waren im Stall des Haupthauses untergebracht. Die alte Mühle war eher so etwas wie das ehemalige Gesindehaus, und die Pferde gehörten verschiedenen Leuten, die dort Boxen gemietet hatten.

So hatte ich also ständig Pferde um mich, wenn auch nur selten so nah, wie es sich einmal ergab. Das war ganz zu Anfang meiner Zeit in Stetternich. Um die Sonnenstrahlen nicht ungenutzt zu Boden fallen zu lassen, wollte ich mich eines Tages nach draußen legen. Ich hatte von meiner Oma so einen Klapp-Liegestuhl mit Polsterung geerbt, und den schleppte ich mitsamt einem Buch, etwas zu trinken und dem Telefon auf die Pferdeweide. Auf der Weide war ein Pferd, und das kam gleich an, um zu schauen, was ich da machte. Kein Problem, dachte ich, es ist nur natürlich, dass es neugierig ist. Jetzt beschnuppern wir uns mal, und dann ist es auch schon nicht mehr so spannend. Schließlich ist auf dieser großen Weide mehr als genug Platz für uns beide.

Das Pferd war sehr neugierig, aber irgendwann gelang es mir doch, es wegzuschieben. Wie ich dann so da lag, wurde ich ein wenig schläfrig und döste, das mitgebrachte Buch verachtend, langsam weg. Mit einem Schrecken wurde ich wach, als sich ein riesiger Pferdekopf über mich beugte und mit seiner kalten, feuchten Schnauze an meinem nackten Bauch rumschnupperte. Leicht ärgerlich schob ich das Pferd beiseite und erklärte ihm, dass ich nicht nochmal gestört werden wollte.

Daran hielt es sich. Wenige Minuten. Ich war gerade wieder eingenickt, da schlabberte die Pferdeschnauze an meinen Füßen herum. Doch damit nicht genug: Das Tier entdeckte den Stoff des Liegestuhls und schien Gefallen daran zu finden – mit einem behrzten Biss rupfte es ein großes Stück von der Polsterung heraus. Ob es an dem Blumenmuster des Bezugs lag, weiß ich nicht, jedenfalls war das dann der Moment, in dem mir allmählich klar wurde, dass ich auf dieser Weide keine Ruhe finden würde, solange ich nicht alleine war. Außerdem galt es, etwas dagegen zu tun, dass noch mehr Schaumstoffflocken aus der Wunde im Polster fallen. Und ich trat meinen Rückzug an, um nie wieder auf dieser Weide in der Sonne zu liegen.

Wie gut, dass ich wenige Tage später den Barmener Baggersee entdeckte...


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erstellt: 19.04.02 / geändert: 11.05.05
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